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Bereichert durch eine andere Frömmigkeit – Der Kirchenkreis feiert 31 Jahre Partnerschaft mit Rubengera

Irène Deveaux - hier mit Emmanuel Hakizimana in einem Gottesdienst - besuchte schon mehrmals Rubengera, die Partnerregion des evangelischen Kirchenkreises An Nahe und Glan. Immer wieder fasziniert sie die ganz andere Frömmigkeit der Menschen in dem afrikanischen Land. (Foto: Archiv Kirchenkreis)

Kirn. Mit einem zentralen Gottesdienst am Samstag, 3. September, 16 Uhr, in der evangelischen Kirche in Kirn feiert der Kirchenkreis An Nahe und Glan die Partnerschaft mit dem Presbytery Rubengera in Ruanda. In dem Gottesdienst werden die von der Kreissynode neu gewählten Mitglieder des Kreissynodalvorstands (KSV) in ihr Amt eingeführt und das ausscheidende verabschiedet. Im Anschluss lädt der Kirchenkreis alle ehrenamtlich und hauptamtlich Mitarbeitenden zu einem spätsommerlichen Fest in das Gemeindezentrum ein. 

Mit dem Fest soll die ehrenamtliche Arbeit in allen Bereichen des Kirchenkreises und seiner Gemeinden gewürdigt werden. Normalerweise bietet dafür der Empfang im Advent zum Beginn des neuen Kirchenjahres den Rahmen. Wegen der Corona-Pandemie konnte er in den letzten zwei Jahren nicht stattfinden. „Ob Corona den Neujahrsempfang in diesem Jahr zulässt, kann heute noch niemand sagen“, erklärt Superintendentin Astrid Peekhaus. „Deswegen hat der Kreissynodalvorstand beschlossen, ein Fest im Spätsommer zu feiern, zu dem alle Mitarbeitenden des Kirchenkreises und der Kirchengemeinden, haupt-, neben- oder ehrenamtlich herzlich eingeladen sind.“

 „Weil wir in diesem Jahr auch den Partnerschaftsgottesdienst mit unseren Geschwistern aus Ruanda zum ersten Mal zentral feiern werden, wollen wir beides zusammenlegen“, erläutert die Superintendentin. In dem Gottesdienst werden zudem zwei neu gewählte Mitglieder des Kreissynodalverstands in ihr Amt eingeführt: Pfarrer Christian Schucht (Bad Kreuznach) als zweiter stellvertretender Skriba (Schriftführer), der die Nachfolge von Pfarrer Hans-Hermann Lorig antritt, und Synodalältester Jonas Scheidtweiler (Bad Sobernheim) als Nachfolger des verstorbenen Dr. Jürgen Deveaux. 

Eindrücke einer wachsenden Freundschaft – Irène Deveaux erinnert sich

Seit 31 Jahren sind der Kirchenkreis An Nahe und Glan und das Presbytery Rubengera in Ruanda durch eine Partnerschaft verbunden. Irène Deveaux aus Kirn gehört zu den Frauen und Männern der ersten Stunde im Synodalen Fachausschuss Ruanda (SFR), dem Motor der Partnerschaft. Hier engagiert sie sich bis heute als Übersetzerin aus dem Französischen und bei der Vorbereitung des Partnerschaftsgottesdienstes am ersten Sonntag im September. 

„Afrika hat mich schon immer fasziniert, aber ich hätte nie gedacht, dass ich einmal selbst dorthin reisen würde.“ Mit diesen Worten beschreibt Irène Deveaux die Gefühle, die sie zu Beginn der Beziehung zu dem ostafrikanischen Land bewegten. Inzwischen war sie mehrmals in Rubengera. Nach den Motiven für ihr Engagement gefragt meint sie: „Man erlebt dort eine ganz andere Frömmigkeit und eine Sicht auf die Welt, die sich von unserer stark unterscheidet.“ Die gebürtige Französin leistet mit ihren Sprachkenntnissen eine unschätzbare Hilfe. 

Den Völkermord überdauert

Sehr gut erinnert sie sich an die erste Reise nach Afrika, auf der sie zusammen mit dem damaligen Superintendenten Hartmut Eigemann, Helmut Neuss und Uwe Weimert die Chancen für eine mögliche Partnerschaft auslotete. Eine Urkunde besiegelte 1991 den Willen, engere Beziehungen aufzubauen. Eine jähe und tragische Unterbrechung erfuhr die junge Freundschaft durch den Völkermord in Ruanda, dem 1994 fast eine Million Menschen zum Opfer fielen. „Wir waren sehr besorgt, denn wir hatten keine Nachrichten aus Rubengera und wussten nur, was in den Medien verbreitet wurde, und das war sehr wenig“, erinnert sich Irène Deveaux. 

Erfolgreiche diakonische Arbeit

Bereits 1995 wagten sich jedoch die Pfarrer Germann und Keiner sowie SFR-Mitglied Kristina Peters nach Rubengera. In der Folge wurden die hier bereits gesammelten Geldmittel zur Hilfe beim Wiederaufbau der im Genozid zerstörten Kirchen verwendet. 1997 schließlich kamen die ersten Besucher aus Rubengera in den Kirchenkreis An Nahe und Glan. Der Vorsitzende des Partnerschaftskomitees Evode Kabayita führte die Delegation an, zu der auch Andréanne Kabazayire, Vorsitzende des dortigen Diakonie-Komitees, gehörte. Damit begann eine überaus erfolgreiche diakonische Zusammenarbeit. Das von Paten finanzierte Kinderfamilienprojekt ging unter anderem daraus hervor. Es ermöglichte Kindern, die im Genozid ihre Eltern verloren hatten, weiterhin als Familien zusammenzuleben. Während der Corona-Pandemie leistete der Kirchenkreis Soforthilfe für Nahrungsmittel und Hygieneartikel und aktuell unterstützt er Teenager-Mütter, die von ihren Familien verstoßen werden und neue Perspektiven für ihr Leben finden müssen. 

Konsequent leitete Margot Holbach (Rüdesheim) viele Jahre lang den SFR. Trotz Einschränkungen durch Corona vollzog sich in dem Gremium ein Generationenwechsel. Von Joana Kunz (Winterbach) übernahmen Andrea Hügle und Dr. Karin Althaus-Grewe den Vorsitz und leiten nun das Gremium im Team, unterstützt durch langjährige Mitglieder wie etwa Burkhard Gosch, der sich um die Finanzen kümmert. Im kommenden Jahr wird wieder eine Delegation aus Rubengera an der Nahe erwartet. 

Befragt nach dem Erfolgsrezept der Partnerschaft meint Irène Deveaux: „Man braucht dazu Menschen, denen man vertrauen kann, dass sie etwas aus dem Geld machen, das hier gespendet wird.“  Dies sei in der Zusammenarbeit mit Andréanne Kabazayire und Emmanuel Hakizimana, dem Vorsitzenden des dortigen Partnerschaftskomitees, über viele Jahre hinweg gelungen. Die Zukunft der Partnerschaft steht im Zeichen eines Wandels im Selbstverständnis. „Wir wollten immer helfen“, erklärt Irène Deveaux die anfängliche Motivation. Allmählich wächst jedoch die Überzeugung, es sei an der Zeit, die hierzulande immer noch gängige Überzeugung zu überwinden, die Menschen in den Ländern des Südens könnten sich nicht selbst helfen, sondern benötigten Unterstützung der überlegenen weißen Weltbevölkerung.

30.08.2022 - Marion Unger