Nachrichten

Schlosskirche im Festmodus - Präses predigt zu 500 Jahre Reformation im Rheinland

Zwölf Johanniter bekundeten ihre Verbundenheit mit Meisenheim, dem früheren Sitz ihrer Komturei. Sie geleiteten Präses Thorsten Latzel (3. von links), Superintendentin Astrid Peekhaus und Pfarrer Christian Schucht (links und rechts daneben) in die Schlosskirche.

Im Anschluss an den Gottesdienst lud die Kirchengemeinde zum Beisammensein mit ihren Gästen ein.

Johanniter in historischen Gewändern empfingen die Gäste vor der Schlosskirche.

Superintendentin Peekhaus und Präses Latzel im Gespräch.

Zum Festgottesdienst in der Schlosskirche hatten sich zahlreiche Gäste eingefunden.

Präses Latzel (links) informierte sich bei Pfarrer Christian Schucht und Fabian Stöcklin (rechts) über die Kirchengemeinde.

Meisenheim. Mit einer Vielzahl von Gästen feierte die Kirchengemeinde Meisenheim den Beginn der Reformation vor 500 Jahren auf dem Gebiet der Evangelischen Kirche im Rheinland. Die Festpredigt in der Schlosskirche hielt der Präses der rheinischen Kirche, Dr. Thorsten Latzel.

Gehüllt in ein festliches Gewand aus Musik, bewegenden Worten und spürbarer Verbundenheit illustrer Gäste präsentierte sich die Schlosskirche am Himmelfahrtstag von ihrer schönsten Seite. Die Erinnerung an die Zeit des Umbruchs vor 500 Jahren, als der Johanniter Nikolaus Faber vom Studium bei Martin Luther das Gedankengut der Reformation nach Meisenheim brachte, geriet zu einem Fest, das die Gemeinde und ihre Gäste aus dem aktuellen kirchlichen Alltag heraushob.

Gedanken, die etablierte Theologen vor einem halben Jahrtausend zunächst als Utopie verspotteten und die sich dennoch machtvoll verbreiteten, beschrieb Präses Thorsten Latzel in seiner Predigt, in der er auf das Wirken Nikolaus Fabers einging: „Er beginnt evangelisch zu predigen – erfüllt vom Geist der Reformation, orientiert allein an der Heiligen Schrift.“ 1526 führte er das Abendmahl mit Brot und Wein ein und 1534 kaufte er – damals für teures Geld – die erste vollständige Bibelübersetzung Martin Luthers. 

„Das sind alles Schritte, die wir heute kaum noch ermessen können“, erklärte Präses Latzel und verwies auf eine erzbischöfliche Visitation 1550, die den endgültigen Bruch mit dem Katholizismus dokumentiert. Seinerzeit wurde kritisiert, alle Prediger seien „beweibt“, schismatisch und lutherisch und man verhalte sich „gar nicht katholisch bei den Ceremonien“. Latzel wertete dieses Zitat als Ritterschlag. „Was für eine Wirkung hat die Predigt eines Einzelnen“, meinte er und entwickelte eine Vision für 2023, über die Menschen in 500 Jahren vielleicht über die heutige Gegenwart als „das Wunder von Meisenheim“ berichten könnten. Er entwarf das Bild von Tausenden Männern und Frauen, die ständig die Bibel auf ihren Handys mit sich herumtragen, sich vom Geist Jesu Christi inspirieren lassen, alles miteinander teilen, neue Gottesdienstformen entwickeln und die gute Nachricht auf social media posten. „Es entstand eine neue Gemeinschaft, die Menschen lebten frei, bewahrten die Schöpfung und übten sich in Wahrheit, Liebe, Frieden und Gerechtigkeit.“ Latzel fragte sich, ob diese Vision so viel unrealistischer sei als das, was aus der Predigt eines einzelnen Menschen 1523 entstanden ist. 

Mit einem thematischen Schnitt ging Thorsten Latzel schließlich auf die Bedeutung des Himmelfahrtstages ein. Auf der Grundlage des Berichts des Evangelisten Lukas über das Geschehen in der Apostelgeschichte des Neuen Testaments betonte der Präses: „An Himmelfahrt feiern wir den Herrschaftsantritt Jesu Christi über alle Welt.“ Dazu gehöre der Glaube, dass die Gewaltherrscher nicht siegen werden. „Wir schauen nicht nach den Wolken, sondern nach unseren Mitmenschen und wir vertrauen darauf, dass Christus uns dort begegnet.“ So sei Himmelfahrt das Fest dieses religiösen Blickwinkels vom Himmel zur Erde. 

Zwölf Johanniter in wehenden Umhängen erwarteten die Gäste vor der Schlosskirche und geleiteten den Präses, Superintendentin Astrid Peekhaus und das Presbyterium in das Gotteshaus. Sie dokumentierten damit ihre Verbundenheit mit dem ehemaligen Sitz ihrer Komturei. Die Kirchengemeinde sieht sich in ihrer Tradition und wählte für die neue Gemeinde, die nach der bevorstehenden Fusion mit Hundsbach und Jeckenbach entstehen soll, den Namen Johanniter-Gemeinde. 

Die Liturgie des Festgottesdienstes lag in den Händen von Pfarrer Christian Schucht und Pfarrerin Dorothea Schwarz. Fabian Stöcklin wirkte als Lektor. Besondere Glanzpunkte setzte die musikalische Gestaltung mit der Bachkantate „Gott fährt auf mit Jauchzen“ unter der Leitung von Kantor Benedikt Schwarz. Dabei wirkten das Meisenheimer Vokalensemble, der Chor der Kirchengemeinde Becherbach, Sängerinnen und Sänger des Becherbacher Brückenchors sowie vier Solisten und das Barockensemble „L’arpa festante“ mit.

Im Anschluss genossen Gemeindemitglieder und Gäste Gespräche und Beisammensein auf dem Schlossplatz bei Kaffee und Kuchen, bevor Renate Gilcher und Friedrich Mayer in einer szenischen Darstellung des Weges von Wittenberg nach Meisenheim die Zeit vor 500 Jahren aufleben ließen.

Nikolaus Faber und die Reformation in Meisenheim

Vor 500 Jahren brachte der junge Johanniter Nikolaus Faber die Gedanken der Reformation nach Meisenheim. Sein Orden hatte ihn zum Studium nach Wittenberg geschickt. Kein Geringerer als Martin Luther war dort sein Lehrer. Behutsam begann er, die erworbenen Erkenntnisse in der Gemeinde umzusetzen, zunächst als Hofkaplan des Herzogs von Pfalz-Zweibrücken, dann als Prediger an der Schlosskirche. 1523 feierte er dort den ersten evangelischen Gottesdienst auf dem Gebiet der heutigen rheinischen Kirche. Einige Jahre zuvor hatte die erste Generation von Reformatoren bereits auf der Ebernburg evangelische Gottesdienste, sogar mit Abendmahl in beiderlei Gestalt, gehalten. Doch die damalige „Herberge der Gerechtigkeit“ liegt heute auf dem Gebiet der Evangelischen Kirche der Pfalz. Meisenheim kann also mit Fug und Recht für sich den Anspruch erheben, eine Wiege der Reformation im Rheinland zu sein. 

Fabers geschicktes Vorgehen, das die alten Bräuche, Messgewänder und Heiligentage zunächst unangetastet ließ, trug sicherlich zum Erfolg seiner Mission bei. Als er 1567 starb, vermerkte das Kirchenbuch, er habe „44 Jahre Kirchendienst mit der reinen Lehre und rechtem Gebrauch der heiligen Sakramente versehen“. Dazu gehörte auch eine neue reformatorische Kirchenordnung für das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, die er zusammen mit anderen Theologen entwickelte.

19.05.2023 - Marion Unger