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Paul-Schneider-Gemeinde feiert ihre Gründung - Drei Dörfer und eine Stadt durch Fusion vereint - Musikalischer Abendsegen rundet Gründungstag ab

Karl-Adolf Schneider, ein Sohn Paul Schneiders, war Ehrengast im Gründungsgottesdienst der neuen Kirchengemeinde.

In einer Dialogpredigt schlugen Ulrike Scholtheis-Wenzel und Ralf Anacker einen Bogen vom Zeugnis Paul Schneiders in die heutige Zeit.

Superintendentin Astrid Peekhaus überbrachte die Gründungsurkunde für die neue Paul-Schneider-Gemeinde.

Im Freien war nach dem Gottesdienst Zeit für Gespräche und zum Anstoßen auf den Start einer neuen Gemeinde. Im Vordergrund Karl-Adolf Schneider und Ulrike Scholtheis-Wenzel.

Unter der Leitung von Andrea Coch (rechts) gestalteten Sängerinnen und Sänger des CIS den musikalischen Abendsegen als Abschluss des Gründungstages der Paul-Schneider-Gemeinde.

Die Bad Sobernheimer Konfirmandin Martha Milferstedt schilderte Eindrücke von einer Spurensuche ihrer Schulklasse nach Paul Schneider in Dickenschied.

Staudernheim. Mit zahlreichen Gästen aus Kirche, Politik und Gesellschaft feierte die Evangelische Paul-Schneider-Gemeinde ihren Gründungsgottesdienst in der evangelischen Kirche in Staudernheim. Sie ist aus der Fusion von Bad Sobernheim und Staudernheim, wozu auch Abtweiler und Lauschied gehören, hervorgegangen. Ehrengast war Karl-Adolf Schneider, ein Sohn des Namensgebers der neuen Gemeinde. 

In Pferdsfeld geboren, einem verlorenen Dorf nicht weit von Bad Sobernheim, prägte eine starke Heimatverbundenheit das Leben Paul Schneiders. Dies betonte Karl-Adolf Schneider in seinem Grußwort. Er brachte ein besonderes Geschenk mit: eine Kopie des letzten Briefes seines Vaters aus dem Konzentrationslager Buchenwald. Dessen Original wird im Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) aufbewahrt. „Wir lernen und reifen an dem, was uns aufgegeben ist“, schrieb Paul Schneider an seine Frau Margarete. „Dies ist das letzte schriftliche Vermächtnis meines Vaters“, erklärte Schneider und rief die neue Gemeinde auf, „zu lernen, Verschiedenheit zu erkennen und in gemeinsamer Arbeit Gegensätze zu überwinden.“

In einer Dialogpredigt vermittelten Pfarrerin Ulrike Scholtheis-Wenzel und Pfarrer Ralf Anacker einen imponierenden Eindruck ihrer theologischen Zusammenarbeit. Von einer Passage aus dem ersten Kapitel des Johannes-Evangeliums schlugen sie einen Bogen zum Glaubenszeugnis Paul-Schneider. „Johannes der Täufer hat Jesus bezeugt und bezahlte dies mit seinem Leben und ähnlich erging es Paul Schneider“, erläuterte Ulrike Scholtheis-Wenzel. Sie verwies auf dessen Konfirmationsspruch aus demselben Evangeliums, in dem von der Verpflichtung die Rede ist, die Wahrheit zu bezeugen (Johannes 18, 37). „Dieses Bibelwort hat ihn sein Leben lang begleitet.“ Paul Schneiders Geschichte immer wieder zu erzählen, vor allem der jüngeren Generation, sei Verpflichtung für die Kirchengemeinde, die nun seinen Namen trägt.

Von der Verbindung zwischen Paul Schneider und Dietrich Bonhoeffer, einem weiteren Theologen, der während der NS-Zeit ermordet wurde, berichtete Ralf Anacker. Bonhoeffer hatte Schneider als „ersten Märtyrer der Bekennenden Kirche“ bezeichnet, als er von dessen gewaltsamen Tod erfuhr. „Politik und Glaubenszeugnis sind keine zwei Welten“, betonte Anacker. In diesen von Corona geprägten Zeiten spürten die Menschen oft keine Kraft mehr, sich den Herausforderungen der Welt zu stellen und gegen Menschenrechtsverletzungen sowie Ungerechtigkeiten aufzustehen. Anacker unterstrich: „eine Paul-Schneider-Gemeinde muss die Augen offenhalten und das Wort ergreifen, wenn es die Situation erfordert.“ Schließlich formulierte Pfarrerin Scholtheis-Wenzel den Anspruch an die Arbeit der nächsten Zeit mit einer Frage: „Vier Kirchen, drei Dörfer und eine kleine Stadt – wie gelingt es uns, auf alle zuzugehen, nach innen Gemeinde aufzubauen und nach außen Haltung zu bewahren?“

Mit der Gründungsurkunde für die Evangelische Paul-Schneider-Gemeinde besiegelte die EKiR die Fusion. Die Superintendentin des Kirchenkreises An Nahe und Glan, Astrid Peekhaus überreichte das Dokument und bescheinigte den Presbyterien eine gründliche und verantwortungsvolle Vorbereitung. Jetzt müssten unterschiedliche Traditionen, Liturgien und Gewohnheiten zusammenwachsen und eine neue Tradition bilden. Gegensätze, die manchmal zu Spannungen führten, habe es im Christentum von Anfang an gegeben, meinte die Superintendentin und verwies auf die Gründerväter der christlichen Kirche, Petrus und Paulus. „Was macht unser Leben als Christinnen und Christen hier an der Nahe aus?“ Über diese Frage müsse man in der Gemeinde ins Gespräch kommen und dabei die Welt mit den Augen des jeweils anderen sehen. 

Die Bitte um eine lebendige Ökumene mit der neuen Katholischen Gemeinde St. Willigis, die Partnerschaft mit den Gemeinden in Rubengera (Ruanda), und die Sorge um die Bewahrung der Erde fanden Widerhall in den Fürbitten von Julia Alt, Manfred Herrmann, Helga Stumpf und Sandra Sander. Für die feierliche Umrahmung sorgten musikalische Beiträge von Andrea Coch mit Blockflöte und an der Orgel, Eugen Heinzlmann (Trompete) sowie Sängerinnen und Sängern der CIS. Der Gottesdiensst endete mit dem Händel’schen „Halleluja“, vierhändig vorgetragen auf der Orgel von Iris Braun und Andrea Coch.

Musikalischer Abendsegen rundet Gründungstag ab - Persönliche Zeugnisse zu Paul Schneider

Mit einem musikalischen Abendsegen in der Matthiaskirche Bad Sobernheim rundete die Evangelische Paul-Schneider-Gemeinde ihren Gründungstag ab. Umrahmt von musikalischen Beiträgen standen unter dem Motto „Meine Geschichte mit Paul Schneider“ persönliche Zeugnisse im Angesicht des Schicksals des „Predigers von Buchenwald“ im Mittelpunkt. 

Fasziniert von der Persönlichkeit Margarete Schneiders, der Ehefrau Paul Schneiders, sei er gewesen, als er sie als Schüler mehrmals aufgesucht hatte, berichtete Uwe Engelmann. Im Leistungskurs Geschichte erhielt er den Auftrag zu einer Facharbeit über Paul Schneider. In mehreren Gesprächen habe ihm Margarte Schneider ein ganz anderes Bild von der Zeit des Nationalsozialismus vermittelt, als er es von seinen Großeltern her kannte. „Sie hat die Zerrissenheit der evangelischen Kirche beschrieben und den Weg ihres Mannes bis zum Tod“, erklärte Engelmann und betonte: „Ich bin bis heute dankbar für diesen lebendigen Geschichtsunterricht.“

Im Zuge der Umsiedlung der Bürger von Pferdsfeld, als das Dorf zusammen mit Eckweiler dem Nato-Flugplatz weichen musste, zog Christel Harder in die Paul-Schneider-Straße auf dem Bad Sobernheimer Leinenborn. Zuvor hatte sie 31 Jahre lang in Pferdsfeld gewohnt. In ihrer Familie sei immer sehr respektvoll von Schneider gesprochen worden, von seinem Mut, das Evangelium gegen die Widerstände des NS-Regimes zu verkündigen, „obwohl ihm und seiner Familie dadurch gefährliche Unannehmlichkeiten drohten“. 

Martha Milferstedt, Schülerin des Paul-Schneider-Gymnasiums (PSG) in Meisenheim und Bad Sobernheimer Konfirmandin, schilderte einen Besuch der 6. und 7. Klassen in Dickenschied. Dort trafen die Schülerinnen und Schüler Karl-Adolf Schneider, den Sohn Paul Schneiders, und fanden Spuren des Lebensweges des Ehepaars Schneider in den Stolpersteinen auf dem Friedhof. 

Jahre zuvor war auch Inga Sax Schülerin am PSG. Sie erinnerte sich an ein Projekt zu Paul Schneider zusammen mit der Bodelschwingh-Schule. Jugendliche mit verschiedenen Beeinträchtigungen waren dabei, als sie die Gedenkstätte eines ehemaligen KZ besuchten. „Damals wurde mir klar, dass viele von ihnen die NS-Zeit nicht überlebt hätten, wären sie damals schon auf der Welt gewesen“, hieß es in ihrer Aufzeichnung.

Paul Schneiders Haltung als „geradliniger Mitstreiter der Bekennenden Kirche“ beleuchtete Andrea Hügle, Lehrerin am PSG und Bad Sobernheimer Presbyterin. Sie stellte Schneiders Eintreten für seine jüdischen Mithäftlinge beim Lagerleiter des Konzentrationslagers Buchenwald dar und resümierte: „Er hat den Widerstand gegen Nazis und Deutsche Christen bis zur letzten Konsequenz gelebt, unbeugsam bis zu seiner Ermordung.“ Auf Eindrücke aus der Gedenkstätte Buchenwald bei einem Besuch des Schulchors des PSG in Weimar ein Jahr vor der Wende blickte Marion Unger zurück. Der Anblick von Paul Schneiders Arrestzelle, von der aus er den Gefangenen auf dem Appellplatz Bibelworte zur Ermutigung zugerufen hat, habe die jungen Leute seinerzeit tief bewegt.  

Pfarrerin Ulrike Scholtheis-Wenzel begrüßte zur Abendandacht auch ihren katholischen Kollegen Hans-Jürgen Eck. Sie wünschte der ebenfalls neu gegründeten Kirchengemeinde St. Willigis Nahe-Glan-Soon gutes Gelingen und sprach die Hoffnung aus auf ein lebendiges ökumenisches Miteinander. 

Den musikalischen Teil der Abendandacht gestalteten Andrea Coch, Sängerinnen und Sänger des CIS-Chors sowie ein Bläserensemble.

10.01.2022 - Marion Unger