Nachrichten

Dreifaches Jubiläum in Bingerbrück - Kirchengemeinde, Chor und Kirche feiern 125jähriges Bestehen

Die Gustav-Adolf-Jubiläumskirche Bingerbrück, ist im Kirchenkreis An Nahe und Glan und weit darüber hinaus einzigartig. (Foto: Dieter Ackermann)

Bunte, bleiverglaste Erinnerung: Gustav-Adolf II. Glaubensverteidiger und Kriegsherr, im Fenster der Sakristei der Gustav-Adolf-Jubiläumskirche. (Foto: Dieter Ackermann)

Höchste Zimmermannskunst: Der Dachstuhl der Gustav-Adolf-Jubiläumskirche entspricht noch der ursprünglichen Art, nach der auch heute noch Kirchen in Schweden ausgestattet sind. (Foto: Dieter Ackermann)

Holzwerk unter dem Dach und die Eichenholzbänke gehören noch zur Erstausstattung, während die Oberlinger-Orgel 1993 eingebaut wurde. (Foto: Dieter Ackermann)

Ein Herzensanliegen von Ingo Straßburger, ist die Restaurierung der Eingangstür zur Sakristei. (Foto: Dieter Ackermann)

Der Festgottesdienst wurde vom Jubelchor mitgestaltet. (Foto: Manuela Beck)

Bingerbrück. Coronabedingt ein Jahr später, feierte die Evangelische Kirchengemeinde Bingerbrück, die gemeinsam mit Weiler, zum Kirchenkreis An Nahe und Glan gehört, ihr 125. Gründungsjubiläum. Ebenso das 125jährige Jubiläum der Gustav-Adolf-Jubiläumskirche, sowie das 125jährige Bestehen des evangelischen Kirchenchores. Dem Festgottesdienst schloss sich ein Empfang im Gemeindehaus an.

Das dreifache Jubiläum stand unter dem Motto “Herr, Deine Güte reicht soweit der Himmel ist” und wurde vom ehemaligen Gemeindepfarrer Baldur Stiehl (Bad Kreuznach), dem Jubelchor (Leitung Birgit Ensminger Busse) sowie Küster und Chronist Ingo Straßburger, der sein 30-jähriges Dienstjubiläum feierte, gestaltete.

Seine Festpredigt stellte Pfarrer Stiehl unter das Lukaswort “Stärke uns den Glauben”. Dabei betonte er, dass ohne Glauben und Gottvertrauen, Pfarrer, Presbyter, Gemeinde, Kirchenchor und Frauenhilfe die ersten 50 Jahre nicht durchgestanden hätten. Auf viele Dinge, wie die jährlichen Gemeindefeste, den Kindergarten, Bau des Altenheimes Martin-Luther-Stift oder das Nebeneinander der christlichen Konfessionen in Bingerbrück und Weile “wo an vielen Stellen ein ökumenisches Miteinander wurde”, machte Stiehl deutlich: “ Im Rückblick auf 125 Jahre Kirchengemeinde gilt, Jesus hat den Menschen in dieser Kirchngemeinde immer wieder den Glauben geschenkt”.

“Um einen Streifzug von der Vorgeschichte über die Gründung bis heute durch die Geschichte unseres Gotteshauses, dem Kirchenchor und der Gemeinde zu machen, ist der Festgottesdienst mit Lob, Dank und Gebet für die Jubilare, nicht der richtige Ort”, sagte Straßburger und ging auf einige wesentliche Punkte wie der Grundsteinlegung und Einweihung der Kirche, sowie der Gründung des Chores ein. Der wurde anlässlich des Jubiläums von Aktiven des Hackenheimer Chores Cantabile verstärkt, der nicht nur “Herr deine Güte reicht so weit”, wunderbar zu Gehör brachte. Straßburger blickte kurz auf die Einweihung der im Kirchenkreis und weit darüber hinaus einmaligen Gustav-Adolf -Jubiläumskirche und die Gründung der Kirchengemeinde, die damals 480 Mitglieder zählte, zurück.

Pfarrer Christoph Hüther (Waldalgesheim), der auch die Glückwünsche des Kirchenkreises und benachbarter Kirchengemeinden überbrachte, erinnerte an die lange Geschichte der beiden Gemeinden Waldalgesheim und Bingerbrück. “Auf die großen Herausforderungen und Veränderungen die sie in all den Jahren gemeistert haben können sie stolz sein”, hob Hüther hervor. Ebenso, dass diese Welt und unsere Gesellschaft Kirche dringend braucht, genauso die Verkündigung des Evangeliums und Gottes Wort als Antwort auf die Fragen der Gegenwart und der Zukunft. Gleichzeitig drückte er seine Freude über den künftigen gemeinsamen Weg aus, zumal beide Presbyterien beschlossen haben, ab dem 1. Dezember, eine Kooperation einzugehen.

Zum Dreifach-Jubiläum gratulierten auch der Binger Oberbürgermeister Thomas Fehser, Ortsbürgermeister Adam Schmitt (Weiler), Superintendentin Astrid Peekhaus, Vertreter der katholischen Kirchengemeinde und Elke Clusser-Baltes von der Johannis-Kirchengemeinde Bingen.

Die evangelische Kirchengemeinde Bingerbrück, zählt noch zu den ralativ jungen Gemeinden im Bereich der Rheinischen Landeskirche. Ihr wurde am 8. Mai 1896 der Status der Selbstständigkeit verliehen. Am 21. Juni, 1896 wählte man das erste Presbyterium. Anlässlich der Feierlichkeiten zum 100jährigen Bestehen sagte der damalige Superintendent Hartmut Eigemann: “Kirche darf nicht verwechselt werden, sie ist nicht Christus, sondern verweist auf ihn. Sie will Zeuge sein auf dem Weg Gottes. Auch die Kirchengemeinde  Bingerbrück ist eine Stimme, die dem Herrn den Weg bereitet. Diese Stimme hält und wird auch die Gemeinde weiterhin erhalten”.

1894 hatte der Waldalgesheimer Pfarrer, Superintendent Friedrich Wenzel, den Bau einer Kirche in Bingerbrück geplant. Er suchte Rat und Hilfe beim damaligen Gustav-Adolf-Verein der Rheinprovinz. Dabei wurde der Entschluss gefasst, anlässlich des 50jährigen Bestehens des Vereins als “Jubelwerk” eine Kirche in Bingerbrück zu bauen.  Nach den Plänen des Geheimen Regierungs- und Baurates Cuno zu Koblenz, wurde der Grundstein am 23. Mai 1984 gelegt. Dank der Spendenbereitschaft, Zuwendungen behördlicher Stellen und der umliegenden Gemeinden, erfolgt am 7. November 1895 die feierliche Einweihung der Gustav-Adolf-Jubiläumskirche. Vom Schwedenkönig Gustav-Adolf II. (1594-1632) hat das neugiotische Gotteshaus mit dem kreuzförmigen Grundriss seinen Namen

Betritt man die 1986 und 2018 grundlegend renovierte Kirche, fällt der Blick sofort von dem Kreuz über dem Altar, auf die für das Rheinland völlig untypische, vielfältig ausgemalte und überaus interessante Deckenkonstruktion, die den schwedischen Kirchen ähnlich ist. Mittel- und Querschnitt haben zusammen mit dem Turm die Form eine Kreuzes und bilden mit der Turmstube zur Empore hin eine harmonische Einheit. Straßburger, der auch Presbyter, Chorsänger, Vorsitzender des Vereins “Neogotik und Ästhetik”, Hausmeister, Chronist und schlichtweg das personifizierte Gesicht der Kirchengemeinde ist, sprach gegenüber dem Oeffentlichen Anzeiger von einem Wunder, dass das schmucke Gotteshaus in den Kriegsjahren nicht zerstört wurde, obwohl damals mehrere Bomben beim Angriff auf den Bingerbrücker Bahnhof, in unmittelbarer Nähe der Kirche einschlugen.

In schlichter Schönheit konnte mittels Spenden in den 50er Jahren die bleiverglasten Fenster eingebaut werden. Deren Rosetten, die mit Symbolen versehen sind ermölichen dem Betrachter sehr anschaulich einen Gang durch die verschiedenen  Feste des Kirchenjahres. Ebenso wie die Dachkonstruktion gehören die massiven Eichenholzbänke noch zur Erstausstattung der Kirche, die 300 Personen Platz bietet. Passend dazu, besaß sie ursprünglich noch einen hölzernen Hochaltar und eine hölzerne Kanzel mit Baldachin an der linken Wand über dem Zugang zur Sakristei. Beides wurde bei Renovierungsarbeiten in den sechziger Jahren gegen schlichte steinere Ausführungen ersetzt.

Zum Gedächtnis der in den zwei Weltkriegen Gefallenen und zur steten Mahnung wurden zwei große Bilder verschiedener Künstler geschaffen, die für sich sprechen und dem Besucher der Kirche sofort ins Auge fallen. Nachdem die ursprüngliche Orgel nach den Kriegsjahren unbrauchbar wurde, ersetzte man sie durch ein kleineres Instrument. 1993 konnte eine mit 22 Registern ausgestattete Oberlinger-Orgel eingebaut werden. In den zurückliegenden Jahren wurden mehrere Maßnahmen im Eingangsbereich und am Boden durchgeführt.

Hatte die Kirche am Tag ihrer Einweihung noch drei Bronzeglocken, so wurden davon zwei im Ersten Weltkrieg eingeschmolzen. Die verbliebene wurde nach dem Krig gegen zwei Gußstahlglocken eingetauscht und eine weitere hinzugekauft. In den 60er Jahren kamen vier Glocken hinzu die das Gesamtgeläut harmonisch abrunden. “Die Kirche und insbesondere die Gustav-Adolf-Jubiläumskirche ist ein Zeugnis aus Stein, ein Zeugnis für das Ja Gottes zu den Menschen. Diese Kirche ist eine ständige Erinnerung an Gottes Entscheidung für uns und umgekehrt eine bleibenden Einladung, uns für Gott zu entscheiden”, sagte Pfarrer Stiehl anlässlich des 100jährigen Kirchenjubiläums. Worte, die auch heute noch gelten.

Bedingt durch die Zerstörung des Archives im Zweiten Weltkrieg, ist nur sehr wenig über die Anfangsjahre des Chores übermittelt. Einem Zeitungsbericht von 1895 ist zu entnehmen, dass sanges interessierte Gemeindegleider zu einem Vorsingen in den Saalbau Gräff in der Stromberger Straße eingeladen waren, um einen Kirchenchor zusammenzustellen. Ein Lehrer war als Gründer auch gleichzeitig der erste Dirigent. Pfarrer Griese hatte zum 50jährigen Chor- Jubiläum zurückschauend festgehalten, dass der Chor nicht nur an Fest- und Feiertagen sang, sondern mehrmals im Jahr bei Konzerten und kirchenmusikalischen Andachten.  Bis heute ist der Chor einer der Kräfte, die das Gemeindeleben mitgestalten. Der treue Dienst zum Lobe Gottes, fand auch über die Kirchengemeinde hinaus Lob und Anerkennung. Das unterstreicht die Verleihung der Zelter-Plakette im Frühjahr 1995.

 

10.11.2021 - Dieter Ackermann